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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN — Als Fliegen Noch Extravagant War

By Jürgen Schmieder
September 13, 2016
Pan Am experience

Es ist erstaunlich, mit welch zeitloser Eleganz sich Chandall aus diesem misslichen Moment befreit. Sie lächelt freundlich, gar so, als würde sie sich über diesen Scherz aus der Kategorie Altherrenwitz tatsächlich köstlich amüsieren. Sie nimmt diese Männerhand, die langsam über ihren Rücken nach sehr weit unten gleitet, zwischen ihre Finger und hält sie fest. Mit einer Drehung entgeht sie der Umarmung. “Sie brauchen dringend einen Cocktail”, sagt sie: “Darf ich Ihnen noch einen Whisky Sour bringen?” Sie lässt die Hand los und kehrt zwei Minuten später mit dem Getränk zurück. Zwinkern. Lächeln. Kussmund.

Der Verehrer grinst verschmitzt, er ist kein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit, in der Altherren ihre Hände noch ungestraft über den Rücken bezaubernder Frauen gleiten lassen durften. Taalat Captan will dem nun verblüfften Besucher demonstrieren, wie detailverliebt er diese Stewardessen ausgebildet hat. Diese Szene, sie spielt sich nicht in einer schäbigen Bar in Los Angeles ab, sondern im Nachbau des legendären Flugzeuges Clipper Juan T. Trippe, eine Boeing 747 der noch legendäreren Fluglinie Pan American World Airways (Pan Am).

Chandall, die junge Frau im hellblauen Kleidchen und mit hellblauer Haube über den blonden Haaren, ist eine Schauspielerin – ausgebildet von einer Frau, die in den 1970er-Jahren in dieser Maschine tatsächlich Cocktails serviert hat. Chandall bringt noch eine Köstlichkeit aus Schokolade, dann tanzt sie ein bisschen mit ihrer Kollegin Barbara. Zu “Come Fly With Me” von Frank Sinatra. Willkommen auf einer Reise in die Vergangenheit, willkommen bei der Pan Am Experience.

Es gab einmal eine Zeit, die Älteren werden sich erinnern, da war der Fluggast keine Mischung aus Terrorverdächtigem und Legehenne. Piloten waren so begehrt, wie es heute nur Fußballspieler oder Popstars sind. Flugbegleiterinnen waren Kosmopolitinnen, von der Natur gesegnet mit derart viel Charme, dass selbst der muffeligste Mensch bei einem Lächeln zum Verehrer wurde. Diese Zeit, sie wird vor allem seit dem Erfolg der Fernsehserie “Mad Men” verklärt als jene, in der die Welt noch nicht aus den Fugen geraten war, sondern sich im exakt richtigen Rhythmus um die Sonne bewegte. Um diese Erde flogen die Maschinen von Pan Am, sie brachten die Beatles nach New York und Liz Taylornach Paris. Das Leben war damals kein Ziel, sondern eine Reise – und der Urlaub begann nicht am Koffer-Rollband am Zielort, sondern bereits beim Einsteigen. Fliegen war deshalb nicht der Grund für Wadenkrämpfe und Langeweile und schlechte Laune, sondern ein elegantes und extravagantes Erlebnis.

Pan Am experience
Die Kunden sollen sich fühlen wie in den wilden 1970ern, als die Welt noch eine bessere zu sein schien.(Foto: Mike Kelley / Air Hollywood)

Genau das sollen die Kunden nun nachempfinden in dieser Lagerhalle im Norden von Los Angeles. Captan ist Gründer und Geschäftsführer der Firma Air Hollywood, die sich auf die Produktion von Filmszenen in Flugzeugen spezialisiert hat. “The Wolf of Wall Street” wurde hier gedreht, “Million Dollar Arm” und auch Folgen der TV-Serie “Modern Family“. Sie kurieren hier Flugangst, bereiten Polizeihunde auf ihre Einsätze vor – und schicken Besucher für 195 (Business Class) oder 295 Dollar (First Class) auf eine Zeitreise in die 1970er-Jahre. Eine junge Passagierin trägt eine Blume im Haar und sieht ganz so aus, als würde sie dringend nach San Franciscowollen. Hach!

Der Abend beginnt mit einem Glas Champagner in der Clipper Lounge voller Pan-Am-Devotionalien. Der Sammler Anthony Toth hat das alles zusammengetragen, vieles hat er vom Flugzeug-Friedhof aus der Mojave-Wüste. “Ich bin im Alter von fünf Jahren erstmals geflogen, in der ersten Klasse in einer Pan-Am-Maschine von Los Angeles nach Zürich”, sagt er. “Seitdem bin ich verrückt danach.” Schon als Teenager kaufte er einen Flugzeugsessel fürs Wohnzimmer, nach der Pleite der Fluglinie vor 15 Jahren suchte er sich die größte private Memorabiliensammlung zusammen. Die stellte er zunächst in seiner Garage im Süden von Los Angeles aus und lud seine Freunde zu exquisiten Abendessen und Cocktails ein. Captan überzeugte ihn nach einer offenbar äußerst gelungenen Nacht, dass dies auch eine prima Geschäftsidee sein könnte.

“Die Menschen sehnen sich zurück nach dieser Zeit, nach ein bisschen Luxus, nach weniger Effizienz”, sagt er. Seit knapp zwei Jahren gibt es die Pan Am Experience, bislang war jeder einzelne Abend ausverkauft (es gibt nur einen “Flug” pro Woche). Captan will expandieren, in New York, er sucht derzeit nach einer passenden Lokalität. Toth gibt nun den Kapitän. Er marschiert mit zwei Begleiterinnen im Arm durch die Clipper Lounge, Sinatra singt. Ein Moment, der an die Szene im Film “Catch Me If You Can” erinnert, als Leonardo DiCaprio in dieser Verkleidung seine Verfolger abschüttelt. Die Passagiere haben nun bereits jeweils drei Gläser Champagner geleert und sind nicht nur deshalb bestens gelaunt. Sie werden über eine kleine Brücke ins Flugzeug geleitet und bewegen sich auf diesen fünf Metern gleichzeitig 50 Jahre in die Vergangenheit.

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